2. Tagung Computeralgebra in Lehre, Ausbildung und Weiterbildung
26.-28. April 2000, Schloß Thurnau bei Bayreuth

Teilnehmer

Vom 26. bis zum 28. April 2000 fand im Schloß Thurnau bei Bayreuth die zweite Tagung Computeralgebra in Lehre, Ausbildung und Weiterbildung statt, welche von der Fachgruppe Computeralgebra organisiert wurde. Die Tagung hatte 58 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, vornehmlich aus Deutschland. Zwei Teilnehmer kamen aus Österreich, drei aus den USA und einer kam aus Weißrußland. Damit war die Beteiligung diesmal fast doppelt so groß wie bei der ersten Thurnau-Tagung 1998. Zu unserer Freude war diesmal die Hälfte der Bundesländer durch offizielle Vertreter beteiligt:

  • Baden-Württemberg: OStR. Walter Kinkelin (Ministerium), Rolf Reimer (Schulversuch Pilotprojekt Mobiles Klassenzimmer)
  • Bayern: Alois Einhauser (Staatsinstitut für Schulpädagogik und Bildungsforschung), Detlev Kirmse (Zentralstelle für Computer im Unterricht), OstR. Konrad Rudert
  • Brandenburg: Dr. Götz Bieber (Pädagogisches Landesinstitut Brandenburg)
  • Niedersachsen: Heiko Knechtel, Hans-Dieter Stenten-Langenbach, Wilhelm Weiskirch
  • Nordrhein-Westfalen: Dr. Norbert Esper hatte leider aus gesundheitlichen Gründen kurzfristig abgesagt
  • Sachsen: Jürgen Wagner (Comenius-Institut), Dr. Andreas Meißner (Staatliches Seminar für das Höhere Lehramt an Gymnasien)
  • Sachsen-Anhalt: Willi Lichtenberg (Landesinstitut für Lehrerfortbildung, Lehrerweiterbildung und Unterrichtsforschung von Sachsen-Anhalt)
  • Schleswig-Holstein: StD. Dietrich Pohlmann
  • Thüringen: Dr. Wolfgang Moldenhauer (Thüringer Institut für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien)

Ferner war Landesschulrat Dr. Helmut Heugl aus Österreich vertreten.

Zusammenfassung

In insgesamt 26 Vorträgen wurde über Schulversuche und Initiativen zum Computeralgebra-Einsatz an deutschen Schulen berichtet, wurden Computeralgebrasysteme, computeralgebrafähige Taschen- und Tischrechner sowie interaktive Medien vorgestellt und wurden Erfahrungen mit dem Einsatz von Computeralgebrasystemen im Unterricht weitergegeben. Drei der Vorträge hatten Computeralgebra an Fachhochschule und Universität zum Thema.

Der erste Tag stand unter der Überschrift Computer- und Softwareausstattung an deutschen Schulen. Zu diesem Thema war die Initiative D21, welche 1999 von IBM in Kooperation mit der deutschen Industrie gegründet wurde, durch die Geschäftsführerin Ariane Alpmann vertreten. Die Initiative Schulen ans Netz, 1996 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und der Deutschen Telekom gegründet, wurde vom Geschäftsstellenleiter Michael Drabe repräsentiert.

Die Initiative D21 hat sich zum Ziel gesetzt, 20000 deutsche Schulen mit Computern auszustatten. Interessierte Schulen können sich bei der Initiative anmelden. Die Initiative versucht dann, lokale Sponsoren für die Schulen zu finden. Von den bisher 600 angemeldeten Schulen konnten 100 ausgestattet werden.

Die Initiative Schulen ans Netz will bis Ende 2001 alle 44.000 deutschen Schulen mit einem kostenlosen Internetanschluß versorgen. Bislang haben 17000 Schulen einen Internetanschluß. Zum Vergleich: Während nur 40% der deutschen Schulen Zugang zum Internet besitzen, liegt diese Quote in den USA bereits bei 90%, in Finnland sogar bei 100%.

Bei der Podiumsdiskussion am Ende des ersten Tages wurden folgende Themen als besonders bedeutsam benannt:

  • Die Softwareausstattung der Schulcomputer sollte die wichtigsten Browser und Plugins enthalten, um Probleme beim Herunterladen aus dem Netz zu vermeiden; dies ist insbesondere unter dem Aspekt zu sehen, daß in den Schulen ja i. a. keine Systemadministratoren vorhanden sind. Ohne diese Softwareausstattung kommt der Computereinsatz schnell zum Erliegen.
  • Auf Dauer ist eine Ausstattung mit Schulcomputern nur mit technischem Betreuungspersonal zu administrieren. Hierzu müssen die Länder bzw. Kommunen Konzepte entwickeln. In Brandenburg wird eine derartige Konzeption beispielsweise gerade erarbeitet.
  • Es sollte mindestens ein Computeralgebrasystem zur Verfügung stehen. Hierfür müssen Landeslizenzen angestrebt werden (in einigen Bundesländern gibt es Landeslizenzen) oder aber bundesweite Lizenzen oder Sonderkonditionen für die Schulen ausgehandelt werden.
  • Ein wichtiges Thema ist die Lehrerfortbildung. Es wurde kontrovers diskutiert, ob die Fortbildungspflicht in Niedersachsen das richtige Mittel sei; eine große Mehrheit der Teilnehmer hält dies aber doch für angemessen. Nachdem die Computeralgebra-Fortbildung zuerst teilweise mißmutig aufgenommen wurde, sind die Reaktionen inzwischen eher positiv. In Sachsen ist seit langem der Einsatz von graphikfähigen Taschenrechnern möglich, aber erst seit der obligatorischen Einführung für alle Schulen ab Klasse 8 konnte diese Konzeption auch landesweit umgesetzt werden. Es ist eine bekannte Erfahrung, daß über Kann-Regelungen lediglich ein Drittel der Lehrer ansprechbar ist.
  • Erst wenn Computeralgebrasysteme auch in der Prüfungssituation zugelassen sind, ist der flächendeckende Einsatz möglich.

Der Rest der Konferenz widmete sich der Analyse des Einsatzes von Computeralgebra in den einzelnen Bundesländern. Es ergab sich folgender aktueller Stand:

  • Baden-Württemberg (http://www.uni-karlsruhe.de/~za242/CAS): Im Rahmen des PiMoKl-Schulprojekts (Pilotprojekt Mobiles Klassenzimmer), an welchem seit 1996 fünf Gymnasien ab Klasse 11 beteiligt waren, wurden 1999 zum ersten Mal (mit eigenem Zentralabitur) Abiturprüfungen abgelegt (Computeralgebra-Rundbrief 24, S. 15 und Rundbrief 25, S. 17–18, bzw. DIE ZEIT vom 6. Mai 1999). Alle beteiligten Schulen wirken weiterhin an diesem Projekt mit, und es sind inzwischen drei neue Schulen hinzugekommen.
    Ansprechpartner: OStR Walter Kinkelin
  • Bayern (http://www.zs-augsburg.de): Seit 1992 werden graphikfähige Taschenrechner eingesetzt, s. Forum Graphische Taschenrechner. Dies betrifft ca. 8% der Schulen, auf Grund des Zentralabiturs sind allerdings keine Gymnasien beteiligt. Seit 1996 gibt es erste Versuchseinsätze symbolischer Taschenrechner. Seit 1999 sind an diesem Schulversuch 350 Schüler aus 13 Klassen, hauptsächlich aus Realschulen, beteiligt.
    Ansprechpartner: Detlev Kirmse.
  • Brandenburg (http://www.uni-potsdam.de/u/PLIB): Es gibt seit 1999 die Medienoffensive MAUS (Medien an unseren Schulen), da Brandenburg beim Einsatz von Medien in der Schule unter 16 Bundesländern einen schlechten 15. Platz einnimmt. In diesem Rahmen werden in den nächsten 5 Jahren Mittel bereitgestellt für eine weitere Ausstattung mit Hard- und Software, z.B. auch für Landeslizenzen. Es ist eine breit angelegte Fortbildung vorgesehen, und es sollen Systemadministratoren ausgebildet werden. Schließlich wird im Laufe des Frühjahrs 2000 ein neuer Rahmenplan für den Mathematikunterricht der Sekundarstufe I erstellt, in welchem moderne Medien eine größere Rolle spielen sollen. Beispielsweise soll dynamische Geometriesoftware verbindlich eingesetzt werden, aber auch an den propädeutischen Einsatz von Computeralgebrasoftware ist gedacht.
    Ansprechpartner: Dr. Götz Bieber.
  • Mecklenburg-Vorpommern: Im Ministerium werden momentan Vorbereitungen getroffen, um den Einsatz von Computeralgebrasystemen im Abitur ab 2002 möglich zu machen. Das Abitur wird sich dann aus einer Pflichtaufgabe für alle Schüler, bei dem CAS-Kundige keinen Vorteil haben werden und einem Wahlteil zusammensetzen. Der Wahlteil besteht aus je 4 Aufgaben, aus denen Schüler zwei auszuwählen haben und zwar aus einem Wahlteil für Schüler mit CAS und aus einem ohne.
    Ansprechpartner: Dr. Jochen Weitendorf.
  • Niedersachsen: Auf Grund des dezentralen Abiturs werden vor allem der TI92 und der TI89 bereits von recht vielen Lehrern bis hin zum Abitur eingesetzt. Seit 1999 gibt es eine Lehrerfortbildungsoffensive mit Fortbildungspflicht für Mathematiklehrer, s. Computeralgebra-Rundbrief 25, S. 22–24.
    Ansprechpartner: Heiko Knechtel.
  • Nordrhein-Westfalen (http://www.learn-line.nrw.de/angebote/cas/medio.htm): Seit 1998 gibt es einen Schulversuch, bei welchem von knapp 30 Klassen im Rahmen des Mathematikunterrichts der gymnasialen Oberstufe DERIVE bzw. der TI-92 eingesetzt wird.
    Ansprechpartner: Rainer Opitz.
  • Sachsen (http://www.sn.schule.de/~ci): Sachsen ist das einzige Bundesland, in welchem graphikfähige Taschenrechner (seit 1997) verbindlich ab Klasse 8 vorgesehen sind. Im Jahr 2000 ist dieses Projekt in der Abiturstufe angekommen und werden die ersten Abiturprüfungen unter Einbeziehung von graphikfähigen Taschenrechnern gestellt. Es gibt einen Modellversuch zum Einsatz von Tabellenkalkulation, Geolog und MathCad in Klassen 7–10, eine Fortsetzung in der Oberstufe ist vorgesehen.
    Ansprechpartner: Jürgen Wagner.
  • Sachsen-Anhalt (http://server1.schule.uni-halle.de/~lisa/homepag2.htm): Taschenrechner und Tabellenkalkulation gibt es ab Klasse 7, graphikfähige Taschenrechner und Computeralgebrasysteme sind erlaubt, aber nicht im Abitur zugelassen. Ein erster Schulversuch wurde 1998 etabliert mit einem Grund- und einem Leistungskurs (TI89) sowie einem weiteren Leistungskurs (CASIO Algebra FX2.0).
    Ansprechpartner: Willi Lichtenberg.
  • Thüringen (http://www.thillm.th.schule.de): Seit 1997 wurden an 8 Schulen die zehnten Klassen mit symbolischen Taschenrechnern TI89 ausgestattet. Diese Ausstattung wurde weitergeführt, und ab 2002 ist dann Zentralabitur mit dem TI89 möglich. Die beteiligten Lehrer treffen sich alle zwei Monate.
    Ansprechpartner: Dr. Wolfgang Moldenhauer (WMoldenhauer@thillm.thueringen.de).

In der abschließenden Podiumsdiskussion wurde debattiert, wie der Einsatz von Computeralgebrasystemen in den Schulen weiter vorangebracht werden kann. Es wurde insbesondere festgestellt, daß sich an den Schulen in den letzten Jahren zwar einiges getan hat, daß aber der Funke noch nicht recht auf die Universitäten und die dortige Lehrerausbildung übergesprungen ist. Auf der anderen Seite gibt es an einigen Universitäten durchaus ein entsprechendes Angebot (s. die regelmäßige Rubrik Lehrveranstaltungen zu Computeralgebra des Rundbriefs), welches aber von Staatsexamenskandidaten nur zögerlich angenommen wird. Hier sollte man die Prüfungsinhalte des Staatsexamens überdenken und entsprechend anpassen. Als Minimalforderung sollte die Staatsexamensausbildung wenigstens die Schulinhalte abdecken, und dazu gehören heutzutage auch Computeralgebrakenntnisse. Es wurde eingeschätzt, daß insbesondere die zwei Drittel der eher weniger motivierten Lehrer nicht eingebunden werden können, solange die Universitätsausbildung stagniert. Als Nahziel wurde die Forderung formuliert, die 10%-Marke zu überspringen. Schließlich wurde auf allgemeinen Wunsch beschlossen, die Tagung in zwei Jahren fortzusetzen.

Mein persönlicher Eindruck, welcher durch unzählige Gespräche bestätigt wurde, war der, daß die Tagung allen Beteiligten einen sehr guten Überblick verschafft hat über den momentanen Stand des Computeralgebra-Einsatzes an deutschen Schulen.

Prof. Dr. Wolfram Koepf
Referent für Didaktik der Fachgruppe Computeralgebra
Universität Gesamthochschule Kassel
Fachbereich Mathematik
Heinrich-Plett-Straße 40
34109 Kassel